Seebrücke Potsdam

Redebeitrag der Seebrücke Potsdam

für CSD Brandenburg 2025

Deutsch:

Wir wollen bei unserem Redebeitrag gerne über den Prozess und vor Allem über die Berichterstattung über den Fall von Cleo sprechen, eine trans Frau aus Südafrika, die in Potsdam in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete leben musste.

Sie ist in einem Indizienprozess zu 12 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt worden, mit dem Vorwurf im Jahr 2024 den Wachmann Anwar A. brutal erstochen zu haben.

Der grausame Tod von Anwar A.macht uns auch ein Jahr nach der Tat tief betroffen und fassungslos. Wir wünschen uns eine lückenlose Aufklärung des Falles, aber auf eine faire und gerechte Art und Weise.

Wir haben den Prozess gegen Cleo mit begleitet und wir sind entsetzt über die Vorverurteilung, Transfeindlichkeit und rassistische Ressentiments, die die Verurteilung von Cleo offensichtlich mit beeinflusst haben.

Cleo wurde nach 8-tägiger Verhandlung, ohne eindeutige Beweise, ohne Augenzeugen, ohne DNA-Spuren und ohne Tatwaffe aufgrund sogenannter „Beweisanzeichen“ zu 12 Jahren und 8 Monaten Haft in einem Männergefängnis verurteilt.

Ihre Identität als Frau wurde ihr bereits vom Beginn des Prozesses abgesprochen, so wurde sie ständig misgendert.

Ihr Äußeres, ihre Transidentität, ihr Sexualleben spielten in vielen Zeug*innenbefragungen eine Rolle, obwohl diese überhaupt nicht relevant für den Prozess waren.

Bereits in der Untersuchungshaft wurde sie vom Frauengefängnis Luckau Duben in das Männergefängnis in Neuruppin verlegt, weil die Leitung in Luckau Duben befürchtete, Cleo könnte die anderen Insassinnen schwängern, obwohl es dafür keine Anzeichen gab. Das ist klar transfeindlich und rassistisch.

Die Transmisogynie gipfelte weiter in dem Gutachten von Bodo Anders, einem Mediziner, der – ohne ein Gespräch mit Cleo geführt zu haben, noch auf trans-affirmative Behandlungen spezialisiert zu sein – sie als nicht wirklich „trans“ erklärte, da sie nicht durchgehend Hormone genommen hätte und nicht submissiv genug in ihrem Sexualleben sei.

Medienvertreter, allen voran die Springer Presse mit der”Bild ” Zeitung, aber auch seriösere Zeitungen, stürzten sich auf das Narrativ der “gewalttätigen, unangepassten Geflüchteten, die den integrierten Geflüchteten ermordet hat”, bereits vor der eigentlichen Verurteilung.

Wir sind entsetzt über die populistische Form, in der viele der Berichte verfasst sind, und über die rechte Hetze und Narrative, derer sich dabei bedient wird.

Berichte, die sich mit der Frage beschäftigen, warum eine angeblich so offensichtlich gefährliche Person wie die Angeklagte nicht schon lange abgeschoben würde, suggerieren schon im Vorfeld, erstens dass die Angeklagte die Täterin gewesen sei, zweitens bedient dies rassistische Narrative gegen Geflüchtete und normalisiert die zurzeit geläufige Wahnvorstellung, dass Kriminalität in Deutschland “importiert” sei und sich durch immer mehr und unmenschlichere Abschiebungen lösen ließe.

Rassistische Ressentiments und trans- und homo-feindliche Äußerungen sollten weder in Presseartikeln auftauchen, noch kann es sein, dass Mitarbeiter*innen von staatlichen Organen, wie in der Justiz oder auch bei der Polizei ihr Handeln von menschenfeindlichen Vorurteilen beeinflussen lassen.

Der Fall von Lorenz aus Oldenburg, der von einem Polizisten mit 5 Schüssen, davon 3 in den Rücken, erschossen wurde, hat erneut gezeigt, dass Polizeigewalt und Rassismus eng miteinander verbunden sind.

Aber es zeigt sich auch ganz deutlich,dass es anscheinend auch seitens der Oldenburger Polizei keinerlei Interesse daran besteht den Fall wirklich aufzuklären, um der Familie von Lorenz zumindest eine Geste von Würde und Gerechtigkeit entgegenzubringen.

Aber es ist leider in fast allen erschreckenden “Einzelfällen” das gleiche Muster:

befreundete Polizeidienststelle ermittelt gegen befreundete Kollegen.

Das Ergebnis dieser “Ermittlung” ist sicherlich nicht besonders schwer vorherzusehen und ein weiterer Schlag ins Gesicht der Angehörigen von Lorenz.

Rassismus in der Polizei stigmatisiert, diskriminiert und tötet.

Nicht nur tagtägliche Polizeigewalt ist von Rassismus betroffen.

Auch die aktuelle Narrativverschiebung in der Migrationsdebatte – von Schutz zu „Abwehr“, von Mensch zu „Last“ – ist kein Zufall, sondern Ausdruck strukturellen Rassismus’, der Migrant*innen systematisch entmenschlicht und kriminalisiert.

Was wir hier erleben, ist kein isolierter Vorfall, sondern ein politisches Klima, das das Grundrecht auf Asyl aushöhlt, Schutzbedürftige kriminalisiert und insbesondere queere Geflüchtete im Stich lässt.

Wir stehen hier, um laut zu sein gegen eine Politik, die den Wert des menschlichen Lebens zugunsten von Grenzschutz und Abschottung aufgibt.

Was wir in den letzten Jahren erleben, ist ein dramatischer Bruch mit humanitären und menschenrechtlichen Prinzipien.

Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht Migration als ein „Risiko“, das es zu „begrenzen“ gilt. Schutzsuchende werden nicht mehr als Menschen gesehen – sondern als „Problem“, das „gesteuert“ und „reduziert“ werden soll. Dieses Narrativ durchzieht den gesamten Koalitionsvertrag – und es ist brandgefährlich.

Mit der Möglichkeit, Asylgesuche bereits an den Staatsgrenzen zurückzuweisen, bricht Deutschland klar mit dem Grundrecht auf Asyl. Hier geht es nicht um eine Reform, es ist ein Rückbau der Menschenrechte. Ein Angriff auf das, was uns als Gesellschaft zusammenhält: die Solidarität mit den Schwächsten und die Verpflichtung, Menschen in Not zu helfen.

Besonders deutlich wird diese Abkehr von den Prinzipien der Menschlichkeit in Brandenburg – konkret am sogenannten Dublin Zentrum in Eisenhüttenstadt.

Ein Ort, an dem nicht Schutz, sondern Abschreckung das Ziel ist. Ein Ort, an dem Menschen unter prekären Bedingungen festgehalten werden, während man sie in groß angelegten Abschiebeaktionen so schnell wie möglich aus Deutschland entfernen möchte. Hier wird Migration nicht als Chance gesehen, sondern als Problem, das es zu eliminieren gilt.

Dieses Narrativ ist nicht nur gefährlich – es ist zutiefst entmenschlichend. Wenn wir Schutzsuchende als „Last“ und „Belastung“ betrachten, dann verschieben wir die gesellschaftliche Wahrnehmung von Menschen zu Bedrohungen. Und dieses Framing schafft die Grundlage für Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung.

Es legitimiert rassistische Diskurse und macht rechte Politik gesellschaftsfähig. Diese Rhetorik baut Mauern, statt Brücken zu schaffen.

Besonders gefährlich wird es, wenn dieses Narrativ auch auf besonders verletzliche Gruppen angewendet wird – wie auf queere Geflüchtete. Deutschland möchte Staaten, in denen Queer-Sein unter Strafe steht, als „sichere Herkunftsstaaten“ einordnen. Wer dies tut, nimmt bewusst in Kauf, dass Menschen in ein System der Verfolgung, Folter und sogar den Tod abgeschoben werden.

Diese Politik ist kein „Schutz“, sie ist eine bewusste Missachtung der Menschenrechte und der Verantwortung, die Deutschland für den Schutz von Schwächsten trägt.

Es geht hier nicht um abstrakte politische Entscheidungen – es geht um konkrete Leben.

Es geht um Menschen, die alles riskiert haben, um Schutz zu finden – und denen wir diesen Schutz jetzt verwehren.

Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, wir dürfen nicht zulassen, dass aus Solidarität Abschottung wird, aus Schutz Haftlager, aus Menschen „Gefährder“.

Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Narrative zur politischen Mitte werden.


English:

In our speech, we would like to talk about the trial and, above all, about the reporting on the case of Cleo, a trans woman from South Africa who had to live in collective accommodation for refugees in Potsdam.

She was sentenced to 12 years and 8 months in prison in a circumstantial evidence trial, accused of brutally stabbing the security guard Anwar A. in 2024.

The cruel death of Anwar A. still leaves us deeply saddened and stunned one year after the crime.

We want the case to be fully investigated, but in a fair and just manner.

We accompanied the trial against Cleo and we are appalled by the prejudgement, trans-hostility and racist resentment and racist resentment that obviously influenced the conviction of Cleo.

Cleo was sentenced to 12 years and 8 months in a men’s prison after an 8-day trial with no clear evidence, no eyewitnesses, no DNA traces and no murder weapon on the basis of so-called “signs of evidence”.

Her identity as a woman was denied from the beginning of the trial, so she was constantly misgendered.

Her appearance, her trans identity and her sex life played a role in many witness interviews, although they were not at all relevant to the trial.

She was transferred from the women’s prison in Luckau Duben to the men’s prison in Neuruppin while still on remand because the management in Luckau Duben feared that Cleo might impregnate the other inmates, although there were no signs of this.

This is clearly transphobic and racist.

The transmisogyny culminated further in the expert opinion of Bodo Anders, a doctor who – without having had a conversation with Cleo, nor being specialized in transaffirmative treatments – declared her to not really be “trans” because she had not taken hormones consistently and was not submissive enough in her sex life.

Media representatives, above all the Springer press with the “Bild” newspaper, but also more serious newspapers, jumped on the narrative of the “violent, non-conformist refugee who murdered the integrated refugee”, even before the actual condemnation.

We are appalled by the populist form in which many of the reports are written and by the right-wing agitation and narratives that are used.

Reports that deal with the question of why a person as obviously dangerous as the accused was not deported a long time ago suggest in advance, firstly, that the accused was the perpetrator, secondly, this serves racist narratives against refugees and normalizes the currently common delusion that crime in Germany is “imported” and can be solved by more and more inhumane deportations.

Racist resentment and anti-trans and homophobic statements should not appear in press articles, nor should employees of state bodies, such as the judiciary or the police, allow their actions to be influenced by misanthropic prejudices.

The case of Lorenz from Oldenburg, who was shot by a police officer with 5 shots, 3 of them in the back, has shown once again that police violence and racism are closely linked.

But it is also very clear that the Oldenburg police seems to have no interest in really solving the case in order to at least show Lorenz’ family a gesture of dignity and justice.

But unfortunately it is the same pattern in almost all the appalling “individual cases”:

friendly police departments are investigating friendly colleagues.

The outcome of this “investigation” is certainly not particularly difficult to predict and a further slap in the face of Lorenz’s relatives.

Racism in the police force stigmatizes, discriminates and kills .

Not only daily police violence is affected by racism.

The current narrative shift in the migration debate – from protection to “defense”, from human being to “burden” – is also no coincidence, but an expression of structural racism that systematically dehumanizes and criminalizes migrants.

What we are experiencing here is not an isolated incident, but a political climate that undermines the basic right to asylum, criminalizes those in need of protection and leaves queer refugees in particular in the lurch.

We are here to speak out against a policy that abandons the value of human life in favor of border protection and isolation.

What we have seen in recent years is a dramatic breach of humanitarian and human rights principles.

The current coalition agreement sees migration as a “risk” that needs to be “limited”.

People seeking protection are no longer seen as people – but as a “problem” that needs to be “managed” and “reduced”. This narrative permeates the entire coalition agreement – and it is extremely dangerous.

With the possibility of rejecting asylum applications at national borders, Germany is clearly breaking with the fundamental right to asylum. This is not a reform, it is a dismantling of human rights. It is an attack on what holds us together as a society: solidarity with the weakest and the obligation to help people in need.

This rejection of the principles of humanity is particularly evident in Brandenburg – specifically at the so-called Dublin Center in Eisenhüttenstadt.

A place where the aim is not protection but deterrence. A place where people are detained in precarious conditions while large-scale deportation operations are carried out to remove them from Germany as quickly as possible. Migration is not seen as an opportunity here, but as a problem that needs to be eliminated.

This narrative is not only dangerous – it is deeply dehumanizing. When we view people seeking protection as a “burden” and a “burden”, we shift society’s perception of people to threats. And this framing creates the basis for discrimination, violence and exclusion.

It legitimizes racist discourse and makes right-wing politics socially acceptable. This rhetoric builds walls instead of bridges.

It becomes particularly dangerous when this narrative is also applied to particularly vulnerable groups – such as queer refugees. Germany wants to classify countries in which being queer is a punishable offense as “safe countries of origin”. Anyone who does this is consciously accepting that people will be deported to a system of persecution, torture and even death.

This policy is not “protection”, it is a deliberate disregard for human rights and Germany’s responsibility to protect the most vulnerable.

This is not about abstract political decisions – it is about concrete lives.

We are talking about people who have risked everything to find protection – and who are now being denied this protection.

We must not get used to this, we must not allow solidarity to become isolationism, protection to become detention camps, people to become “persons likely to threaten public safety”.

We must not allow right-wing narratives to become the political center.