Rede
FSR UP CSD Brandenburg 2025
Zum Thema Feminismus und Krieg kann man sich mit Rechten und Putinist*innen nur
streiten – und das auf eine sehr ähnliche Weise, was nicht von ungefähr kommt.
Patriarchale Gewalt lässt sich in jeder Ritze der russischen Gesellschaft finden, im privaten und öffentlichen Leben. Seit 3 Jahren, bzw. eigentlich schon seit 11 Jahren, bekommen die Menschen in der Ukraine diese Gewalt brutal zu spüren. Die Ukraine ist in Putins Ideologie ein Anti-Russland, ein aufmüpfiges Mädchen, das ihm rechtmäßig gehört und das er „befreien“ muss vor angeblichen Faschisten, um als „Sieger“ verehrt zu werden. Aus ihr gilt es einen Teil Russlands, ein weiteres Belarus zu machen, in dem Minderheiten und politisch Andersdenkende ermordet, gefoltert, vergewaltigt und hinter Gitter gesperrt werden. Die Gewalt, die wir gerade sehen, ist nicht neu – sie zeigt sich nur in einer weiteren widerlichen, mörderischen Fratze.
In diesen Systemen gibt es keinen Schutz für die Opfer von patriarchaler Gewalt und jeglicher Widerstand wird unterdrückt. Ich will das Beispiel von häuslicher Gewalt in aller Knappheit nennen: Jede 3. Frau in Russland erlebt häusliche Gewalt. Jedes Jahr sterben etwa 8.500 Frauen bei gewaltsamen Übergriffen. Unter dem Verweis auf „traditionelle Werte“ wurde in Russland 2017 häusliche Gewalt entkriminalisiert. Während bis 2017 Gewalttäter ins Gefängnis kommen konnten, wird heute erst bei der 2. Anzeige eine lächerliche Geldstrafe, ähnliche wie für ein Parkverbot, ausgesprochen. Ob der Mann seine Frau misshandelt, wird als Privatsache abgetan. 90% der Frauen, die derzeit in russischen Gefängnissen 10 Jahre wegen Mord absitzen, haben sich gegen ihre Partner gewehrt, von denen sie angegriffen wurden. Doch das wird NICHT als Notwehr gewertet. Die Staatsanwaltschaft argumentiert immer, dass die angeklagten Frauen sich hätten diplomatisch verteidigen sollen, oder – noch schlimmer – sie hätten den Angreifer provoziert oder etwas falsch gemacht. Der Täter wird als Opfer dargestellt. Die Russland-Expertin Sabine Fischer spricht von einem: „besonders krasse[n] Beispiel dafür, wie patriarchale Gewaltstrukturen, die sich in der russischen Gesellschaft, im russischen System eingelagert haben, fortsetzen in Form des Krieges und der sexualisierten Gewalt, die dort angewendet wird”.
Ein weiterer Anstieg an Gewalt gegen Frauen in Russland wird verzeichnet durch Kriegsheimkehrer bzw. Soldaten auf Fronturlaub. Seit Beginn der Vollinvasion sind es besonders brutale Fälle. Verbrecher von Gewalt- und Sexualdelikten können auch in vielen Fällen einer Haftstrafe entgehen, wenn sie sich bereit erklären, an die Front zu gehen. Außerdem werden aktiv Schwerstverbrecher aus Gefängnissen rekrutiert mit der Aussicht auf Amnestie. Man muss hier erwähnen, dass häusliche Gewalt natürlich auch in der Ukraine ein großes Problem ist und war, natürlich auch durch Menschen/Männer, die gekämpft haben. Wir beobachten eine Feminisierung der Ukraine in Russlands Kriegspropaganda. Außerdem eine krasse Täter-Opfer-Umkehr, in der Russland als friedliebend dargestellt wird und die Ukraine mit typischem victim-blaming übergossen wird: „Ukraine will ja nicht verhandeln; Russland blieb keine andere Wahl; Die Ukrainer wollen von Russland befreit werden. Die Ukraine wird zum „Gayropa“, wenn wir nicht eingreifen“ Und vieles mehr. Das wird so erzählt und so viele Menschen glauben lieber das und stellen sich auf die Seite des Täters als auf die unbequeme Seite des Opfers.
Die Selbstverteidigung der Ukraine muss aus feministischer Perspektive mit allen Mitteln unterstützt werden und das bedeutet unter anderem gerade Waffen zu liefern, um den Widerstand aufrechtzuerhalten und sich gegen den Überfall zu wehren. Wenn dies nicht geschieht, wird Russland das Land – und in der Zukunft wahrscheinlich noch weitere Länder – komplett überrennen und das wird unvorstellbare Konsequenzen mit sich tragen. Auch um die Ukraine in ihrer Position für kommende Friedensverhandlungen zu stärken, ist es wichtig zu zeigen, dass der Rest der Welt nicht nur mit Worten, sondern auch mit militärischer Hilfe zu ihr steht. Es ist ein historischer Moment gerade. Hier geht es um Selbstverteidigung!
Ich erinnere an Putins Ausspruch Anfang 2022: «нравится, не нравится – терпи моя красавица.» Ein Vergewaltigerspruch, der übersetzt so viel bedeutet wie: „Ob’s dir gefällt, oder nicht, halte still, meine Hübsche.“ Die Menschen in der Ukraine wehren sich genau dagegen! Sie verteidigen nicht nur ihr Territorium! Sie stehen den Kämpfenden in Rojava in nichts nach. Ukraine war das erste Fluchtland für politische, homosexuelle, trans- und queere Menschen aus Belarus und Russland.
Etwa 67.000 Frauen kämpfen gerade auf ukrainischer Seite und tragen, wie immer in Kriegen, eine schreckliche Last. Millionen von Menschen leben in den besetzten Gebieten und erleben täglich Gewalt. Russische Soldaten nutzen Vergewaltigung als gezielte Kriegswaffe.
Wir als Feminist_innen sollten ihr Recht auf Selbstverteidigung supporten, IHNEN als Opfer zuhören und nicht jenen, die nicht müde werden, den Aggressor als ein verhandlungsbereites Opfer darzustellen – was Russland NICHT ist!! Jede Forderung nach einem träumerischen Pazifismus spielt gerade in die Hände des Gewalttäters Russland. Das ist bequemes Weggucken. Wir sollten den Opfern von patriarchaler Gewalt zuhören, egal, ob hier oder in der Ukraine!!
Mit der Hinwendung der neuen US-amerikanischen Regierung Trumps zu Putin, stehen die Chancen auf einen gerechten und nachhaltigen Frieden für die Ukraine schlechter denn je. Gerade deswegen rufen wir dazu auf, weiterhin an der Seite der Ukraine zu stehen, ukrainischen Perspektiven zuzuhören und dafür zu sorgen, dass das Thema nicht in Vergessenheit gerät.
English
On the subject of feminism and war, you can only argue with right-wingers and Putinists – and in a very similar way, which is no coincidence.
Patriarchal violence can be found in every crevice of Russian society, in private and public life. For 3 years, or actually for 11 years, the people of Ukraine have been brutally exposed to this violence. In Putin’s ideology, Ukraine is an anti-Russia, a rebellious girl who rightfully belongs to him and whom he must “liberate” from alleged fascists in order to be revered as a “victor”. The aim is to turn it into a part of Russia, another Belarus, where minorities and political dissidents are murdered, tortured, raped and locked up behind bars. The violence we are seeing is not new – it is just another disgusting, murderous face.
In these systems, there is no protection for the victims of patriarchal violence and any resistance is suppressed. Let me give the example of domestic violence in a nutshell: Every 3rd woman in Russia experiences domestic violence. Every year, around 8,500 women die in violent assaults. With reference to “traditional values”, domestic violence was decriminalized in Russia in 2017. Whereas until 2017 perpetrators of violence could be sent to prison, today a ridiculous fine, similar to a parking ban, is only imposed on the second complaint. Whether a man abuses his wife is dismissed as a private matter. 90% of the women currently serving 10 years for murder in Russian prisons have defended themselves against their partners who attacked them. But this is NOT considered self-defense. The prosecution always argues that the accused women should have defended themselves diplomatically, or – even worse – that they provoked the attacker or did something wrong. The perpetrator is portrayed as the victim. Russia expert Sabine Fischer speaks of a “particularly blatant example of how patriarchal structures of violence that have become embedded in Russian society, in the Russian system, continue in the form of war and the sexualized violence that is used there”.
There has been a further increase in violence against women in Russia due to soldiers returning from war or on furlough. Since the beginning of the full-scale invasion, there have been particularly brutal cases. Criminals of violent and sexual offenses can also avoid imprisonment in many cases if they agree to go to the front. In addition, serious criminals are actively recruited from prisons with the prospect of amnesty. It should be mentioned here that domestic violence is and has been a major problem in Ukraine, too, of course, including by people/men who have fought. We are observing a feminization of Ukraine in Russia’s war propaganda. In addition, a blatant perpetrator-victim reversal, in which Russia is portrayed as peace-loving and Ukraine is doused with typical victim-blaming: “Ukraine doesn’t want to negotiate; Russia had no other choice; Ukrainians want to be liberated from Russia. Ukraine will become “Gayropa” if we don’t intervene” and much more. This is the narrative and so many people prefer to believe it and take the side of the perpetrator rather than the uncomfortable side of the victim.
From a feminist perspective, Ukraine’s self-defense must be supported by all means, and that means, among other things, supplying weapons to maintain resistance and defend against the invasion. If this does not happen, Russia will completely overrun the country – and probably other countries in the future – and this will have unimaginable consequences. To strengthen Ukraine’s position for future peace negotiations, it is also important to show that the rest of the world stands by it not only with words, but also with military help. This is a historic moment. This is about self-defense!
I recall Putin’s statement at the beginning of 2022: «нравится, не нравится – терпи моя красавица.» A rapist’s saying that translates as: “Whether you like it or not, keep still, my pretty.” The people in Ukraine are defending themselves against this! They are not just defending their territory! They are in no way inferior to the fighters in Rojava. Ukraine was the first country of refuge for political, homosexual, trans and queer people from Belarus and Russia.
Around 67,000 women are currently fighting on the Ukrainian side and, as always in wars, are carrying a terrible burden. Millions of people live in the occupied territories and experience violence on a daily basis. Russian soldiers use rape as a targeted weapon of war.
We as feminists should support their right to self-defense, listen to THEM as victims and not to those who never tire of presenting the aggressor as a victim ready to negotiate – which Russia is NOT!!! Every call for a dreamy pacifism plays right into the hands of Russia, the perpetrator of violence. That is conveniently looking the other way. We should listen to the victims of patriarchal violence, whether here or in Ukraine!!!
With Trump’s new US administration turning towards Putin, the chances of a just and sustainable peace for Ukraine are worse than ever. This is precisely why we are calling for Ukraine to continue to stand by its side, to listen to Ukrainian perspectives and to ensure that the issue is not forgotten.