Andersartig e.V

Rede

AndersArtig e.V. CSD Brandenburg 2025

Sichtbar Queer sein in Brandenburg geht in dieser Zeit wieder mit der Gefahr einher, die eigene Sicherheit und die eigene körperliche und seelische Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen. Es gehört wieder Mut dazu, sich so zu zeigen, wie man ist. Es beschleicht uns das Gefühl, zurück zu einem Punkt zu kommen, der schon als historisch und überwunden galt.

Und dennoch gibt es zugleich auch Hoffnung und Zuversicht. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu rechten und autoritären Vorstellungen bewirkt ein Erwachen auch in großen Teilen unserer Community. Wenn ganze Menschengruppen entwertet werden, ist Rückgrat und Courage gefragt. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass man das, was errungen wurde, auch wieder verlieren kann.

In diesem Jahr gehen 23 CSDs in Brandenburg an den Start. Wer heute sichtbar queer lebt, wer politisch denkt und fühlt, kommt an all dem Hass, der Verachtung und der Propaganda gegen gendersensible Sprache, trans* Personen, queere Bildungsarbeit, Lesben und Schwule, Migrant*innen, Feminismus, Juden nicht mehr vorbei.

Es steht in Gefahr, was in so vielen Jahren seit der Wende mühsam und oft gegen Widerstände aufgebaut wurde. Und es macht wütend, dass ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Grundprinzipien einer zivilisierten Gesellschaft – wie Respekt, Menschenwürde, Solidarität und Gemeinsinn – für die eigene Bequemlichkeit zu opfern bereit ist. Es macht wütend, wenn die Strukturen, die Opfern vorurteilsmotivierter Gewalt Schutz bieten oder Projekten, die einen konstruktiven, bejahenden Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vermitteln, in Gefahr gebracht werden!

Wie kann es sein in dieser Zeit, dass die von der Opferperspektive betriebene Antidiskriminierungsberatung vor dem Aus steht? Wie kann es sein, dass das derzeit einzige landesweite queere Schulaufklärungsprojekt in Brandenburg „Bildung unterm Regenbogen“ vom hiesigen Bildungsministerium seit mehreren Jahren systematisch ausgebremst wird und in diesem Moment, da die Schule für queere Jugendliche zunehmend zu einem Angstraum wird, ohne gesicherte Finanzierung dasteht? Wie sollen wir dem Faschismus die Stirn bieten, wenn diese Regierung uns hängen lässt? Haben Sie immer noch nicht begriffen, wie prekär, wie gefährlich die Lage für gesellschaftliche Minderheiten im Land ist?

Die Zahl rechter Übergriffe steigt von Jahr zu Jahr immer bedrohlicher an. In zehn Jahren hat sich die Zahl gemeldeter Übergriffe verfünffacht. Von den im vergangenen Jahr registrierten rund 600 Fällen von Diskriminierung und Gewalt gehen fast zwei Drittel auf ein rechtes Tatmotiv zurück.

Wir und viele andere Organisationen sind es, die sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen und gegen autoritäre, faschistische Auswüchse eintreten.

Wie arm – geistig, kulturell, politisch, wirtschaftlich – wäre dieses Land ohne Zuwanderung, ohne Juden und Jüdinnen, ohne Feminismus, ohne Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen.

Wir fordern daher auf allen Ebenen ein Bekenntnis zu gesellschaftlicher Vielfalt und eine Stärkung und Sicherung der demokratiefördernden Projekte. Wir fordern den Erhalt und den kraftvollen Ausbau von Bildungsprojekten wie „Bildung unterm Regenbogen“. Wir fordern ein klares Bekenntnis zum Aktionsplan Queeres Brandenburg und eine entsprechende Ausstattung mit Ressourcen. Wir fordern die Erweiterung des Grundgesetzartikels 3 um das Merkmal der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität. Wir fordern echte Teilhabe und Mitbestimmung über die politischen Themen, die uns betreffen.

Schluss mit Scheinformaten und Pseudobeteiligung.

Eine vorrangige Aufgabe des Staates ist es, seine Einwohner*innen zu schützen. Das gilt auch für queere Menschen, für Migrant*innen, für Frauen, für Menschen, die behindert werden, für Juden, für Muslime, wie auch für Christen.

Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht und welche Chance auf Teilhabe sie diesen einräumt. Welche Note würdet ihr diesem Land gerade geben?

Die Demokratie ist nichts wert, wenn sie zu einer Tyrannei der Mehrheit verkommt. Lasst uns heute und an allen Tagen laut und widerständig sein, wo Vielfalt und Demokratie in Gefahr geraten.

Möge die Vielfalt mit uns sein!


English

Being visibly queer in the federal state of Brandenburg is once again accompanied by the risk of putting one’s own safety and physical and mental integrity at risk. It takes courage again to show yourself as you are. We have the feeling that we are returning to a point that was already considered historical and overcome.

And yet there is also hope and confidence. The social development towards right-wing and authoritarian ideas is also causing an awakening in large parts of our community. When entire groups of people are devalued, backbone and courage are required. The realization is gaining ground that what has been gained can also be lost again.

This year, 23 CSDs are taking place in Brandenburg. Anyone who lives visibly queer today, who thinks and feels politically, can no longer avoid all the hatred, contempt and propaganda against gender-sensitive language, trans* people, queer educational work, lesbians and gays, migrants, feminism and Jews.

What has been painstakingly built up over so many years since the “Wende” (English: “turnaround”, the 1990 re-union of both East and West Germany) is at risk, often in the face of resistance. And it is infuriating that a considerable proportion of the population is prepared to sacrifice basic principles of a civilized society – such as respect, human dignity, solidarity and public spirit – for their own convenience. It is infuriating when the structures that offer protection to victims of violence motivated by prejudice or projects that promote a constructive, affirmative approach to sexual and gender diversity are put at risk!

How can it be at this time that the anti-discrimination counseling run by “Opferperspektive” (English: “victim’s perspective”, a non-profit organization) is on the verge of being shut down? How can it be that the only state-wide queer school education project in Brandenburg, „Bildung unterm Regenbogen“ (“Education under the Rainbow”), has been systematically thwarted by the local Ministry of Education for several years and is without secure funding at a time when schools are increasingly becoming a place of fear for queer young people? How are we supposed to stand up to fascism if this government leaves us hanging? Have you still not understood how precarious, how dangerous the situation is for social minorities in the country?

The number of right-wing attacks is increasing from year to year. In ten years, the number of reported attacks has increased fivefold. Of the approximately 600 cases of discrimination and violence registered last year, almost two thirds can be attributed to a right-wing motive.

We and many other organizations are committed to social cohesion and stand up against authoritarian, fascist excesses.

How poor – spiritually, culturally, politically, economically – would this country be without immigration, without Jews, without feminism, without lesbians, gays, bisexuals, trans*, inter* and queer people.

We therefore demand a commitment to social diversity at all levels and a strengthening and safeguarding of projects that promote democracy. We call for the preservation and powerful expansion of educational projects such as “Bildung unterm Regenbogen”. We demand a clear commitment to the “Aktionsplan Queeres Brandenburg” (English: “Queer Brandenburg Action Plan”) and appropriate resources. We call for Article 3 of the Basic Law for the Federal Republic of Germany to be expanded to include sexual orientation and gender identity. We demand real participation and co-determination on the political issues that affect us.

No more sham formats and pseudo-participation.

A primary task of the state is to protect its inhabitants. This also applies to queer people, migrants, women, people with disabilities, Jews, Muslims and Christians.

A society must be measured by how it treats its minorities and what opportunities for participation it gives them. What grade would you give this country right now?

Democracy is worth nothing if it degenerates into a tyranny of the majority. Let us be loud and resistant today and every day where diversity and democracy are in danger.

May diversity be with us!