AndersArtig e.V.

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1998 hatten Mitglieder des Landesverbandes AndersARTiG e.V. die Idee, eine Tour durch Branden-
burger Städte zu machen, um dort über Vielfalt und queere Themen aufzuklären. Damals gab es im
ganzen Land keinen einzigen CSD. 2024 sind wir mit der LesBiSchwulen* T*our nun schon das 27. Jahr in Folge unterwegs. Im September, in der heißen Phase des Landtagswahlkampfes, bereisen
wir mit einen ehrenamtlichen Team den Landkreis Uckermark, um für Akzeptanz sowie geschlecht-
liche und sexuelle Vielfalt zu werben.

Was sich damals in den 1990er Jahren kaum einer vorstellen konnte, ist mittlerweile Realität: In
diesem Jahr finden in Brandenburg so viele CSDs statt wie nie zuvor – insgesamt sechzehn. Viele
davon sind Premieren wie heute vor einer Woche (29. Juni.) in Neuruppin oder am 3. August in Rat-
henow. Auch der CSD Brandenburg an der Havel findet nun schon zum vierten Mal statt. Das ist ein
toller Erfolg und alles Andere als selbstverständlich.

Wer Brandenburg kennt, weiß, dass es mitunter Mut erfordert, offen für seine Rechte einzustehen.
Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass immer mehr Menschen im Land diesen Mut aufbringen
und ihre Zeit und Kraft dafür einsetzen, in ihrer Heimatstadt queeres Leben sichtbar zu machen. Ich
finde, die vielen ehrenamtlichen AktivistInnen und OrganisatorInnen der Brandenburger CSDs ha-
ben einen dicken Applaus verdient. Danke, dass ihr euch so einsetzt!

Denn queere Sichtbarkeit ist gerade in einem Flächenland wie Brandenburg wichtig. Und das ist
nicht, wie rechte Kräfte gerne behaupten, die Bevorzugung einer kleinen Minderheit gegenüber den
„normalen Menschen“. Es geht um Gleichberechtigung, sexuelle Selbstbestimmung und die gesell-
schaftliche Teilhabe queerer Menschen. Das ist kein Privileg, das ist unser Recht.

Nur, wenn wir sichtbar und hörbar sind und bleiben, werden unsere Probleme, Sorgen und Anligen
auch wahrgenommen. Nur dann können wir auch die politische Kraft entfalten, unsere Forderungen
in die öffentliche Debatte mit einzubringen. Der Landesaktionsplan Queeres Brandenburg, dessen
Fortschreibungs- und Evaluierungsprozess kürzlich im Landtag diskutiert wurde, ist dabei ein wich-
tiger Schritt. In konstruktiver Weise hat die Landesregierung zusammen mit Vereinen und Organisa-
tionen der queeren Community in zahlreichen Handlungsfeldern Maßnahmen erarbeitet, die queere
Menschen im Land besser schützen und unterstützen sollen.

Jetzt gilt es, den Aktionsplan mit Leben zu füllen, damit queere Sichtbarkeit in Brandenburger Städ-
ten nicht nur an einem Tag im Jahr stattfindet, sondern ganzjährig. Dabei sind Orte besonders wich-
tig – Orte für Begegnung und Austausch, aber auch Beratungsangebote und Orte, an denen Aufklä-
rung über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt stattfinden kann. Am Engagement der AkteurInnen
vor Ort mangelt es nicht. Aber es braucht auch flächendeckende queere Strukturen und verlässliche
Rahmenbedingungen und vor allem eine angemessene finanzielle Ausstattung queerer Projekte, In-
itiativen und Vereine.

Hier sind auch die Entscheidungsträger auf Landesebene sowie in den Landkreisen und Kommunen
gefragt. Wir wollen keine Geschenke. Was wir brauchen, ist Verlässlichkeit. Es ist nicht hinnehm-
bar, dass beispielsweise das queere Schulaufklärungsprojekt „Bildung unterm Regenbogen“ Jahr für
Jahr viel Energie für die Existenzsicherung aufbrigen muss. Diese Ressourcen fehlen für die Auf-
klärungsarbeit an den Schulen, die angesichts wachsender Queerfeindlichkeit im Land notwendiger
denn je ist.

Wir kommen an dieser Stelle auch nicht als Bittsteller, sondern müssen den Staat immer wieder an
seine Pflicht erinnern. Teilhabe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb: Nehmen Sie die-
se Verantwortung endlich wahr und sorgen Sie dafür, dass queere Projekte so ausgestattet werden,
dass sie ihre Aufgaben auch erfüllen können.

Die Europawahl und die Kommunalwahlen in Brandenburg vor wenigen Wochen haben gezeigt,
dass viele Menschen im Land kein Problem damit haben, eine rechtsexremistische Partei zu wählen.
Das lässt nichts Gutes erahnen mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst. Denn die Hetze der AfD
hat ganz reale Auswirkungen auf die Sicherheit queerer Menschen in Brandenburg. Das wird deut-
lich an der steigenden Zahl gemeldeter queerfeindlicher Diskriminierungen und Übergriffte im
Land. Ein Großteil dieser Vorfälle geht auf das Konto der Rechten.

Wenn Birgit Bessin, die Vize-Fraktionsvorsitzende der AfD im Brandenburger Landtag, während
der Debatte über den queeren Aktionsplan behauptet, dass ihre Partei sich für den Schutz von
LSBTIQ* einsetzt, klingt das wie Hohn in unseren Ohren. Und es ist eine dreiste Lüge. Mitglieder
dieser Partei machen sich seit Jahren regelmäßig über queere Menschen – vor allem Trans*-Perso-
nen – lustig. Sie marginalisieren unsere Bedürfnisse und stellen queere Projekte und vielfältige Le-
bensweisen generell in Frage.

Deshalb kann es auf den Rechtsruck in der Gesellschaft nur eine Antwort geben. Wir müssen noch
fester und entschlossener zusammenstehen und uns solidarisch mit allen benachteiligten Gruppen
für Gerechtigkeit, Respekt und sozialen Zusammenhalt einsetzen. Und ich gebe all jenen, die unsere
Rechte beschneiden und uns unsichtbar machen wollen, ein Versprechen: Wir werden weiterhin laut
und kraftvoll für unsere Rechte kämpfen. Wir werden das so lange tun, bis das Ziel erreicht ist, dass
Jeder in Brandenburg so leben kann, wie er möchte – offen, sicher und diskriminierungsfrei.

Thomas Tietze
Landesvorstand im Landesverband AndersARTiG e.V.

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